Tierheimgeschichten

Tierheimgeschichten (unvergessen):


2014 - Das Tierheim sieht rot-weiß...

„4300 Jahre ist es her, dass Noah mit seiner Arche nach dem Alten Testament jeweils ein Paar von jeder Tierart vor der großen Flut rettete. Mit an Bord hatte er auch ein schneeweißes Katzenpaar. Nach Monaten auf See strandete die Arche auf dem Berg Ararat, dem höchsten vulkanischen Berg im damaligen Mesopotamien, der heutigen östlichen Türkei. Als Noah die Katzen ins Freie entließ, fiel ihnen die eben heruntergelassene Treppe auf den Schwanz, dessen Farbe sich in ein feuriges rotbraun verwandelte. Nach Monaten in Dunkelheit blendete die Sonne die beiden Katzen so stark, dass sie erblindeten. Das ist vielleicht der Grund, warum die Katzen blaue, amberfarbene oder unterschiedliche Augenfarben haben. Gott hatte Mitleid mit den beiden Katzen und berührte ihre Stirn, um sie zu segnen und so erhielten sie einen rotbraunen Fleck als Zeichen für den Fingerabdruck Gottes. Die Katzen rannten den Berg hinunter zu der antiken Siedlung von Van, wo es viele Fische in dem riesigen See gab. Sie vermehrten sich, und es war nur natürlich für die Katzen, im Wasser zu schwimmen, um zu fischen. In den Legenden Armeniens finden sich bis heute Anspielungen auf die schwimmenden Vankatzen...“

 

Es ist genau diese Legende, die einem Teil der Nachkommen dieses biblischen Katzenpaares zum Verhängnis geworden ist. Hier in Brandenburg an der Havel, inmitten der Innenstadt! Warum? Weil ihr Frauchen aus ihnen etwas machen will, was sie gar nicht sind – wilde Katzen, die ihr Leben am Vansee verbringen und dort baden gehen und Fische fangen. „Armenische Schwimmkatzen“ heißt die von ihr kreierte Rasse. Was ist passiert? Die Liebe zu Katzen und ganz speziell zur Rasse der Türkisch Van ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Aus einer Tierschützerin ist eine Animal Hoarderin geworden, die sich völlig in diese fixe Idee verrannt hat... Am 8. Mai 2014 ist nach vielen Hinweisen der zuständige Amtstierarzt tätig geworden. Gemeinsam mit Tierschützern des Tierschutzvereins Brandenburg an der Havel machte er sich vor Ort ein Bild von den herrschenden Zuständen. Eine Wohnung in einem Hinterhaus und ein Bungalowgrundstück mitten in unserer Stadt wurden angefahren. Das Ergebnis mit einem Wort: erschütternd. Es roch unglaublich nach Katzenurin, es war schmutzig und unaufgeräumt. Überall waren verdreckte Katzenklos und Futternäpfe. Anstelle von Katzenfutter gab es für die Tiere, die gruppenweise in verschiedene Räume und stellenweise ohne ausreichend Rückzugsmöglichkeiten eingesperrt waren, Hundefutter aus großen Dosen. 13 Katzen – Kater und Katzen, allesamt unkastriert – wurden vom Veterinäramt und den Tierschützern aus dem völlig verdreckten Bungalow befreit, noch einmal über vier Dutzend waren es in der Mietwohnung. Die Halterin, die selbst nicht einmal mehr wusste, wie viele Tiere sie in der Wohnung hat, blieb zunächst uneinsichtig, gab aber schließlich nach und half vor Ort beim Einpacken der Tiere. Vollkommen eingeschüchtert, verfloht, teilweise apathisch und mit Biss- und Kratzverletzungen versehen wurden die Katzen ins Tierheim in der Caasmannstraße gebracht. Über 50 Katzen allen Alters mehr auf einen Schlag, hervorgebracht durch die Sammelkrankheit und „Rettungsmission“ der Frau, für die Räumlichkeiten und die Tierheimmitarbeiter eine große Herausforderung. Schlussendlich gelang auch das, getrennt nach Männlein und Weiblein und möglichst auch nach Alter und Zustand. Momentan ist noch völlig unklar, wie viele der weiblichen Katzen tragend sind und pro Tier bis zu 6 Kitten zur Welt bringen können. Theoretisch könnte es jedes weibliche Tier sein. Das bringt uns neben der räumlichen Not auch in finanzielle Sorgen. Denn momentan und von jetzt auf gleich 50 Mäulchen mehr artgerecht – und ganz sicher werden es in den kommenden Tagen und Wochen noch viele mehr werden - zu stopfen zehrt an unseren ohnehin nicht übermäßigen Reserven. Dazu kommen unter Umständen Tierarztkosten, die bisher noch nicht absehbar sind. Und dennoch:  Wir haben Dank eurer großartigen Unterstützung, auch diesen Tieren geholfen! 

 

Zur Information: In der Türkei lebten 1992 nur noch 92 weiße – ursprüngliche -Vankatzen. An der Yüzüncu-Yil-Universität in Van gibt es ein Forschungszentrum, das sich mit dieser Katzenrasse befasst. Dort soll die Rasse vor dem Aussterben bewahrt und die genetischen Ursachen für die verschiedenfarbigen Augen ergründet werden. Die Zahl der dort gezüchteten Katzen betrug 2006 nur 100 Tiere. Das reicht bei weitem nicht aus, um die Rasse in ihrer ursprünglichen Form zu erhalten. Auf die Ausfuhr dieser Katze steht in der Türkei eine Strafe von bis zu 35.000 €.

(Quelle: Wikipedia)


2010 - Orlando 

Wenn Grausamkeit kaum noch in Worte zu fassen ist ... Orlando sollte verhungern und verdursten

 

Dienstag, 13.07.2010 - eine Frau ruft im Tierheim an und berichtet der schockierten Tierheimchefin von einem Hund, der in einer Wohnung in Brandenburg/Havel verhungern soll. Sie nennt den Namen des Halters, kennt aber nicht die Adresse.

Die Tierheimleiterin informiert sofort das Ordnungsamt, die zuständige Mitarbeiterin forscht nach der Adresse. Vom Ordnungsamt geht die Meldung postwendend zum Amtstierarzt. Die Feuerwehr wird informiert, der zuständige Vermieter schickt den Hausmeister, um die Wohnungstür zu öffnen.

Was Ordnungsamt, Amtstierarzt und Feuerwehr in der zugekoteten Wohnung vorfinden, liegt jenseits von Gut und Böse. Sie finden einen völlig abgehungerten, dehydrierten Rüden. "Orlando" wird von der Feuerwehr sofort ins Tierheim gebracht. Sein Anblick schockt alle Anwesenden. Ein Tierpfleger dreht sich um, muss Tränen unterdrücken, ein anderer schüttelt nur noch den Kopf. Vor ihnen steht ein sachte mit der Rute wedelndes Hundeskelett. Die Feuerwehrmänner finden keine Worte, alle starren nur geschockt auf das, was mal ein bildschöner Hund gewesen sein muss. Trotzdem das Tierheim mit aktuell 87 Hunden bereits überfüllt ist, bekommt Orlando ein Plätzchen. Der liebe Rüde zieht ins Tierheimbüro, steht fortan unter ständiger Beobachtung. Er bekommt vier mal täglich kleine Mahlzeiten aus Haferschleim und Hundefutter. Sein Anfangsgewicht liegt bei 15,1 kg - eigentlich müsste er an die 30 kg wiegen ...

 

Mittwoch, 14.07.2010 - Orlando hat die Nacht gut überstanden. Das Chaos im Tierheimbüro hält sich in Grenzen, niemand ist ihm böse. Seine Verdauung beginnt wieder zu funktionieren, er erhält Elektrolytlösung ins Futter.

Orlando wird stündlich für kurze Zeit nach draußen gelassen, seine Nieren beginnen gerade erst wieder mit der Arbeit ...Der absolut gutherzige Hund ist ein Listenhund, genauer ein Alano. Der 2jährige Rüde hatte in seinem alten Leben ein Negativgutachten, war nie auffällig. Sämtliche Papiere waren ordnungsgemäß vorhanden ... warum wollte ihn sein Herr verhungern lassen?? Strafanzeige ist gestellt ...

 

 

Donnerstag, 15.07.2010 - Die Tierärztin muss kommen. Orlando hat zwar zwei ganze Kilo zugenommen, leidet jetzt aber an heftigem Durchfall. Er verweigert Mahlzeit Nummer drei und vier. Sein Körper kommt mit der - zwar vorsichtigen, aber dennoch plötzlichen - Futterzufuhr nicht ganz problemlos zurecht. Der arme Hund hat furchtbare Bauchschmerzen. Orlando bekommt zwei große Spritzen und Heilerde ins Futter ... morgen sollte es ihm besser gehen. Am Samstag sind zwei weitere Spritzen fällig ...

 

Samstag, 17.07.2010 - Orlando frisst wieder und ist seinen Durchfall los!!! Er bekommt Hühnchen, Reis und Haferschleim. Heute gab es noch einmal die Spritzen. Trotz Kurzzeitfutterverweigerung hat er bereits wieder ein Kilo zugenommen, bringt heute 18,0 kg auf die Waage.

 

Montag, 19.07.2010 - Nach dem gestrigen Zeitungsartikel (BRAWO) werden wir mit Hilfsangeboten überschwemmt. Immer wieder melden sich Menschen, die Orlando sofort aufnehmen würden, die hierher kommen und ihn pflegen wollen ... wir wissen all das sehr zu schätzen. 

Dennoch werden wir Orlando derzeit nicht herausgeben. Der Hund soll sich in Ruhe erholen, soll zunehmen und das alles möglichst stressarm. Wir wissen nicht, ob seine Nieren oder andere Organe evtl. einen Schaden davon getragen haben. Wir wissen noch nicht viel über sein Wesen, insofern können wir ihn noch nicht einschätzen. 

Was sagt Orlando zu Kindern?  Mag er andere Hunde? Kennt er Katzen? Wird er jemals allein bleiben können? Wie läuft er im Straßenverkehr?

Hat er irgendwelche Abneigungen?

Diese und noch weitere wichtige Punkte müssen später zwischen ihm und seinen neuen Haltern geklärt sein. Auch gesetzlich sind einige Punkte zu beachten, denn Orlando ist und bleibt ein LISTENHUND. Wer also ernsthaftes Interesse hegt, muss sich gedulden. Orlando soll - wie alle anderen Tiere bei uns auch - nach der Vermittlung möglichst nicht wieder zurück ins Tierheim müssen. Dazu gehören mindestens drei Gassigänge (und die hält er noch lange nicht durch!), die Erfüllung der gesetzlichen Auflagen und vor allem: DAS perfekte Zuhause. Und um dieses zu finden, werden wir nichts überstürzen, sondern wohlbedacht auswählen. Nochmals: bitte haben Sie Verständnis dafür! Gern können Patenschaften übernommen werden.

Ansonsten geht es unserem Orlando soweit immer besser. Er nimmt weiter zu: 19,9 kg wiegt er inzwischen. Die Verdauung klappt sehr gut, keine Spur mehr von Durchfall!


Mittwoch, 21.07.2010 - Wir bekommen viele Anrufe von den verschiedensten Menschen, die uns Aufbaufutter, Magen/Darmkuren oder Ähnliches empfehlen. Verschiedene Gespräche mit Tierärzten ließen uns zu der Überzeugung kommen, dass die Aufbaumethode, die wir derzeit mit Orlando durchführen ja offensichtlich sehr gut anschlägt. Wir werden daran also auf tierärztlichen Rat hin auch nichts ändern außer: der Hinweis auf den Aufbau der Darmflora war sehr gut. Unterstützend dafür bekommt Orlando nun auch puren Joghurt in kleinen Mengen verabreicht. Dieser führt dem Darm natürliche Bakterien zu, die er derzeit sehr gut gebrauchen kann. Wenn er dies verträgt, also keinen Durchfall bekommt, wird es auch fortgesetzt. 

Wir danken an dieser Stelle nochmals für alle guten Tipps und Hinweise und können stolz berichten: Orlando hat schon wieder zugenommen - 21,1 kg!!! :-)

 

Samstag, 24.07.2010 - Orlando hat etwas abgenommen. Er wiegt heute 20,7 kg. Nun muss jedoch niemand Panik bekommen, denn die Gewichtsabnahme begründet sich ganz einfach: Orlando bewegt sich endlich intensiver. Er hat nun langsam wieder soviel Kraft, dass er freudig dem Ball hinterher springt und auch immer mal wieder kurz tobt. 

Heute morgen hat er uns ausgetrickst. Alles Essbare wird ja seit Orlandos Ankunft aus dem Büro entfernt bzw. so weit nach oben gelegt, dass er nicht heranreicht. In gerade einmal 2 Minuten unbeaufsichtigt sein, hat uns Orlando heute gezeigt, dass er schon sehr fit ist: die vier trockenen Brötchen, die das Mittagsmahl der Tierheimleiterin hätten werden sollen, wurden ohne Rücksicht auf Verluste eingezogen und vernichtet. Trockene Brötchen schmecken offensichtlich besser, als Haferschleim ... jetzt reicht also auch kein Hochlegen mehr, Orlando klettert! Zur Strafe muss Frau Chefin nun hungern ... selbst Schuld! ;-)

Orlandos Verdauung verkraftet die Brötchen offensichtlich ohne Probleme ...

Nachtrag: Und Orlando versteht sich mit anderen Hunden super! Wir lassen ihn ab sofort mit unserem "Fußvolk" laufen. Alles Knirpse - Mädels, Rüden und Kastraten - und alle verstehen sich bisher prächtig!! Insbesondere Tiffy und Orlando toben über den Hof. Der Große spielt richtig vorsichtig mit der Kleinen, trotzdem kugelt sie manchmal, weil er zu doll stupst ... ein Bild für die Götter ... 

 

Montag, 26.07.2010 - Er macht uns schon etwas Kummer, der Kleine ... 

Orlando war am Sonntagmorgen der Meinung, er müsse die Tabletten von Shadow vom Schrank schütteln und fressen, mit samt der Folie. Aber wir sind ja trainiert in Ausnahmesituationen: 

Telefon der Chefin klingelt - Tierpfleger berichtet - Chefin fällt aus Bett, schwingt sich ins Auto - Telefonat mit der Tierärztin von unterwegs - Orlando wird ins Auto gepackt - Frau Doktor lächelt amüsiert "na, was hast du nun wieder gemacht?" - Orlando knurrt unsicher "die schon wieder" und lässt sich trotzdem die kleine Spritze geben - kleine Spritze, große Wirkung: Orlando wird schlecht, er erbricht die Folie (und sein Frühstück), darf wieder ins Auto steigen und nach Hause fahren. Das war ein schöner Sonntagmorgen, fand auch die Tierärztin ...

Heute: alles ist wieder gut, Orlando frisst problemlos, nachdem er gestern den halben Tag nichts mehr fressen durfte ... nun hoffen wir, wirklich ALLES aus der "Gefahrenzone" entfernt zu haben, was seinen Gaumen reizen könnte.

Diese Erfahrungen zeigen uns: Orlando wird definitiv später kein Einzelhund. Aufgrund seines Hunger-Traumas, wird er vermutlich auch immer wieder einmal "Anfälle" bekommen und irgendwelche Sachen fressen ... muss seine neue Familie später mit umgehen können ... achso: 21,4 kg!

 

Mittwoch, 28.07.2010 - Heute gibt es keine Neuigkeiten von Orlando zu berichten. Er steht jetzt bei ganzen 21,9 kg Gewicht und versucht jeden Krümel Futter bzw. Menschenessen zu erhaschen. Wir hoffen, dass sich sein Fresswahn irgendwann noch geben wird ...

 

Samstag, 31.07.2010 - Dies wird der letzte Eintrag in Orlandos Tagebuch sein. Unser Sorgenkind ist über den Berg, hat seit vielen Tagen keinen Durchfall mehr und die Nieren scheinen sich erholt zu haben (keine Riesenpfützen mehr im Büro) ... Er wird kommenden Donnerstag geimpft und geht somit offiziell in die Vermittlung.

Orlando kommt mit kleinen Hunden absolut super zurecht, bei großen Artgenossen ist er teilweise nicht so nett. Im neuen Heim wird er auf alle Fälle Zweithund sein und ältere Männer (mit Brille) sollten dort nicht wohnen. Näheres gibt es ab sofort in seinem Vermittlungstext ... Vielen Dank für die große Anteilnahme!

 

06.10.2010 - Orlando hat nach drei Monaten Tierheim ein tolles Zuhause gefunden. Er ist heute nach Berlin gezogen! 

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